Sarstedts mittelalterliche Stadtmauer und Stadttore
(von Stadtheimatpfleger Werner Vahlbruch)

Die ersten größeren Wohnplätze waren, wenn überhaupt, nur durch einen Wall und Graben sowie Palisaden geschützt. Häufig lagen sie im Schutz einer Burg, die in das Verteidigungssystem einbezogen wurden. Ein höheres Sicherheitsbedürfnis kam mit dem Zerfall zentraler Macht in Deutschland im 13. und 14. Jahrhundert auf. Es ging mit dem Streben der aufblühenden Städte nach Selbstständigkeit einher.
Zum deutlichen Erkennen der Selbstständigkeit und Macht gehörte auch das Privileg des Mauerbaus.
So war auch Sarstedt von einer Mauer umgeben. Dieses Privileg nahm Sarstedt für sich in Anspruch, denn urkundlich bezeugt wird das Sarstedter Stadtrecht durch eine Urkunde vom 31. Januar 1339.
Wie die Burgen und die Burgmauern aus Bruchsteinen, war auch die Stadtmauer mit ihrer Höhe von etwa 13 bis 15 Metern aus den harten Bänken des Muschelkalkes gebaut.
Ringförmig zog sich die Mauer um die Stadt. Der Verlauf der Mauer zog sich an der Südseite der Stadt auf dem steilen, zum Innerstetal abfallenden, Kalkrücken entlang bis zur Innerste, zog an dem Fluss entlang bis zur Retburg, um von dort am Nordrand entlang nach Osten zu ziehen. An der Ostseite, die die kürzeste war, überquerte sie den Kalkrücken. Im Süden und im Westen trat zu der Mauer der natürliche Schutz des Steilhangs und der Innerste. Vor einigen Jahren hat man auf dem Grundstück der Familie Malzfeldt bei der Anlegung von Blumenterrassen Fundamente einer rechteckigen Bastion gefunden. An der Nordseite verlief ein Graben, der sogenannte Schergraben, der um die Mitte des vorherigen Jahrhunderts zugeschüttet wurde, von der Innerste gespeist wurde und bis nach Osten hin die Mauer begleitete.
An der Ostseite und an der Westseite lagen die beiden stark befestigten Stadttore, das Ostertor und das Holztor. Beide sind leider nicht mehr vorhanden. Lediglich einen kleinen Rest der alten Stadtmauer findet man bei dem ehemaligen Ostertor. Vermutlich um 1840 wurde das Ostertor und 1853 das Holztor, direkt an der Innerstebrücke gelegen, abgebrochen.
Nach dem alten Stadtwappen, wie es unter einem Münzvertrag von 1434 zu finden ist, kann man sich eine Vorstellung davon machen, wie die Stadttore ausgesehen haben könnten. Auf diesem Wappen hat man als Sinnbild ein Stadttor gewählt. Zu beiden Seiten des Tores erheben sich zwei schlanke hohe Türme, die von 4 Zinnen gekrönt sind, während der Torbogen fünf Zinnen trägt. Über dem Tor befand sich das Bildnis eines Bischofs oder eines Schutzheiligen, der auf der rechten Schulter ein Kreuz trägt, während er in der linken Hand den Reichsapfel hielt. Die Unterschrift lautet: “Sigillum cicitatis des Szerstede“.
Ob die Stadttore aber tatsächlich so ausgesehen haben, ist nicht anzunehmen, zumal ein Stadtsiegel jener Zeit keineswegs mit dem tatsächlichen Aussehen des Tores übereinstimmen muss, ja in der Regel sogar lediglich ein - wenn man so will - ideales Tor im Stilempfinden der Zeit wiedergibt.
In filigraner Betrachtungsweise ist das Stadttor auch am Brückenpfeiler der Innerste nachempfunden. Auf dem Merianstich von 1653 sind die Stadttore als dächerlose Stadttore zu sehen.
Teile der alten bruchsteinernen Stadtmauer im Südosten, anschließend an das ehemalige Ostertor, liegt heute im Bereich des Schulhofes der Regenbogenschule.
Nur wenige Zeugnisse vergangener Zeiten lassen sich in Sarstedt erkennen. 1716 suchte der sechste Brand seit den vergangenen zweihundert Jahren die Stadt heim, und 1798 breitete der rote Hahn noch einmal seine düsteren Schwingen über Sarstedt aus. Um so wichtiger ist es, dass diese mittelalterliche Stadtmauer in der Originalität der Substanz erhalten bleibt, als Baudenkmal gepflegt wird und für die Generationen von morgen die Spuren der Geschichte noch erkennbar sind.

Zusammengestellt von Werner Vahlbruch, 27.10.1995
Quellennachweis:
Kunstdenkmälerinventare Niedersachsen, Band 30 Heimatkundlicher Aufsatz von August Böttcher, 1949 Chronik der Stadt Sarstedt