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Daseinsbezogene Informationskompetenz in Ländlichen Räumen (DIRLA) - am Beispiel des Landkreises Hildesheim

Die Zielsetzung des Forschungsprojektes ist eine ganzheitliche Sicht auf daseinsbezogene Informationskompetenz und Informationsnutzung von Bürger*innen in ländlichen Räumen.

DIRLA Projektteam News März23
DIRLA Projektteam News März23

Im Zeitraum von April 2020 bis März 2023 widmet sich das vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geförderte Forschungsprojekt dem Informationsverhalten im Landkreis Hildesheim. Es adressiert im Speziellen die drei Perspektiven der Bürger*innen, der Kommunen und der lokalen Bildungsanbieter.

Begrifflichkeiten und Zielsetzung

Was wurde im Projekt Daseinsbezogene Informationskompetenz in Ländlichen Räumen (DILRA) erforscht? Daseinsbezogene Informationsbedarfe sind alle Informationsbedürfnisse, die in alltäglichen Kontexten auftreten und die es für ein glückliches und selbstbestimmtes Leben zu erfüllen gilt. Daseinsvorsorge meint also Belange in Bereichen der Gesundheit, Nahversorgung oder Freizeitgestaltung. Informationskompetenz ist gemäß der UNESCO (2013) ein Bündel an Kompetenzen, das es Bürger*innen ermöglicht auf Informations- und Medieninhalte effizient zuzugreifen, diese abzurufen, zu verstehen, zu evaluieren und zu benutzen, zu erstellen und zu teilen. Dies geschieht mittels verschiedener Hilfsmittel unter kritischen und ethischen Gesichtspunkten, um an gesellschaftlichen Aktivitäten teilzunehmen (UNESCO  2013: 20). Die Zielsetzung des Projektes ist eine ganzheitliche Sicht auf daseinsbezogene Informationskompetenz und Informationsnutzung von Bürger*innen in ländlichen Räumen, hier durchgeführt am Beispiel der Gemeinden des Landkreises Hildesheim, zu erlangen.

Wie sind wir methodisch vorgegangen?

 Die Abbildung 1 zeigt die drei Projektphasen.

DIRLA Methodisches Vorgehen
DIRLA Methodisches Vorgehen

 

In der ersten Studienphase wurde durch eine Nutzerumfrage erfasst, welche Informationen die Befragten in ihrem Alltag benötigen, wo sie diese aufsuchen und wann es dabei ggf. zu Schwierigkeiten und Unsicherheiten kommt. Ergänzend erfassten Interviews mit den lokalen Bereitstellern von Informationen (den Kommunen des Landkreises), wieso welche Informationen auf welchen Wegen an die Bevölkerung kommuniziert werden. Für eine ganzheitliche Perspektive wurden dann die Gemeindewebseiten anhand eines Kriterienkatalogs selbst unter die Lupe genommen und auf verschiedenste Qualitätskriterien (Benutzerfreundlichkeit, Vernetzung u.ä.) analysiert.

Die zweite Studienphase ging weiter ins Detail und ermittelte im Rahmen von Einzelinterviews genauer, wie das Vorgehen, die Beweggründe und die Problemfelder in der Informationssuche aussehen. Als letzte Datenerhebung wurden Fokusgruppen durchgeführt, um mit Privatpersonen, kommunalen Vertreter*innen und Bildungsanbietern konkrete Optimierungsmöglichkeiten für den Landkreis Hildesheim zu sammeln.

Die dritte Studienphase beinhaltet das Entwickeln von Handlungsempfehlungen auf Basis der Forschungsergebnisse. Für die Bürger*innen werden Ansätze für informationskompetentes Verhalten dargeboten, für die Bildungsanbieter Hinweise zur Gestaltung von Lernangeboten zur Förderung von Informationskompetenz und für die Kommunen Hinweise zu gewünschten Bereitstellungswegen daseinsbezogener Informationen.

Was sagen die Ergebnisse?

Die Abbildung 2 zeigt die Gemeindezugehörigkeit der beteiligten Proband*innen. Insgesamt wirkten 549 Personen mit, wobei eine mehrfache Zählung nicht auszuschließen ist.

Gemeindezugehörigkeit
Gemeindezugehörigkeit

Abbildung 2 Gemeindezugehörigkeit der Befragten

In welchen Bereichen wünschen sich die Befragten mehr Informationen?

Die befragten Privatpersonen wünschen sich von den Kommunen vermehrt Inhalte zu den Themen Nahversorgung (digitale Verwaltungsansätze, Transport) und Freizeitgestaltung (aktuelle Veranstaltungen) sowie Meldungen zum Pandemiegeschehen und Nachhaltigkeit (Klimaschutz, Energieversorgung).

Wo sind Schwierigkeiten im Informationsprozess zu erkennen?

Grundsätzlich besteht die größte Problematik im Informationsprozess in der Bewertung von Informationen und Quellen - im Detail bei der Einschätzung der Vertrauenswürdigkeit von Webseiten und der Identifikation von Falschinformationen. Beim Formulieren, was sie wissen möchten, die Quelle danach auszuwählen oder das eigene Verhalten im Nachgang zu reflektieren fühlen die Befragten sich eher sicher (siehe Abbildung 3).

Sicherheitsgefühl
Sicherheitsgefühl

Abbildung 3 Sicherheitsgefühl im Informationsprozess

Eine exemplarische Testung bestätigt diese Tendenz. Interessant ist ebenfalls, dass die Informationsquellen in der analogen Suche nach Informationen danach ausgewählt werden, was das zugrundeliegende Informationsbedürfnis ist. In Bereichen mit potentiell schwerwiegenden Konsequenzen werden vorwiegend Expert*innen befragt (Gesundheitsfragen an die Ärzt*innen, rechtliche Fragen an die Jurist*innen). Ist Erfahrungswissen von Vorteil werden Familie und Freund*innen kontaktiert (Kaufinteresse, Freizeitgestaltung). Eine Abwägung, welche Informationsquelle sich für welches Informationsbedürfnis eignet, ist bei der Quellenauswahl im Internet nicht ersichtlich. Suchmaschinen sind in diesem Informationsraum die häufigsten genutzten Informationsquellen, ganz unabhängig von der inhaltlichen Ausrichtung des Informationsbedürfnisses – wie Abbildung 4 zeigt.

 
Informationsquellen
Informationsquellen

Abbildung 4 Informationsquellen analog und online

Wie steht es um die Informationsbereitstellung durch die Kommunen?

Webanalyse
Webanalyse

Die Abbildung 5 zeigt die Ergebnisse der Prüfung der Gemeindewebseiten im August 2021. Das Prüfschema zur selbstständigen Evaluation kann auf der Projektwebseite heruntergeladen werden.

Auf Nachfrage hat sich gezeigt, dass die Gemeindewebseiten auch eher negativ wahrgenommen werden (siehe Abbildung 6).

Wahrnehmung
Wahrnehmung

Abbildung 6 Wahrnehmung der Gemeindewebseiten

An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass wenig strategisches Vorgehen auf den Seiten der Kommunen erkennbar ist. Die Verantwortlichkeiten und Vorgehensweisen sind oft sehr unterschiedlich und erfahrungsbasiert. Die jeweiligen Vertretenden spiegelten uns häufig einen Mangel an finanziellen und zeitlichen Ressourcen wider. Es stellt sich also die Frage, wie sich mit wenig Mitteln die beste Veränderung erzielen lässt.

Welche Handlungsempfehlungen lassen sich für die Kommunen ableiten?

Daran anknüpfend ist den Kommunen zu empfehlen, die eigenen Kommunikationskanäle weiter auszubauen. Je verschiedenere Wege genutzt werden, um Menschen zu erreichen, desto diversere Personengruppen lassen sich erreichen. Besonders die Altersgruppe 30-59 und 15-29 Jahre wünschen sich vermehrte Aktivitäten in den sozialen Netzwerken. Diese können auch prima für spielerische Meinungsumfragen genutzt werden und steigern so das Zugehörigkeitsgefühl der Gemeindebewohnenden. Die Abbildung zeigt eine 4-Schritte-Anleitung.

Soziale Netzwerke
Soziale Netzwerke

Abbildung 7 Soziale Netzwerke als Kommune

Welche Handlungsempfehlungen lassen sich für die Bürger*innen ableiten?

Für die Bürger*innen gilt es, das eigene Informationsverhalten neu wahrnehmen zu lernen. Das heißt zu sensibilisieren, wie die eigenen Denk- und Handlungsmuster ablaufen. So sind es psychologische Einflussfaktoren, wie das verstärkte Wahrnehmen von Informationen, die die eigene Position bestärken (Bestätigungsfehler), oder das Überschätzen der eigenen Fähigkeiten (Dunning-Kruger-Effekt), die auf ihr Informationsverhalten automatisch und unfreiwillig wirken. Zusätzlich kann es hilfreich sein, sich der komplexen und teils intransparenten Dynamiken des Informationsraumes Internet, bspw. Google-Algorithmen, bewusst zu werden. Um die eigene Informationssuche nicht zu verkomplizieren, kann es helfen sich darauf zu besinnen, dass je nach Schweregrad der Auswirkungen auch auf das kritischste Hinterfragen der Information verzichtet werden darf. Die Abbildung 8 veranschaulicht verschiedene Grade der Komplexität.

Komplexitätsgrad
Komplexitätsgrad

Abbildung 8 Komplexitätsgrad des Informationsbedürfnisses

Was kann mich in meiner Informationssuche unterstützen?

Die Methode Lateral Reading nach Wineburg und McGrew (2017) kann helfen, dargebotene Informationen und Quellen besser einzuschätzen. Dieser von Fakten-Checkern genutzte Ansatz beschränkt sich dabei nicht auf die Bewertung der Informationsquelle selbst (bspw. Autor*innenverweise), sondern adressiert die Berichterstattung über Dritte, d.h. qualitativ hochwertige Quellen, wie etablierte Medien. Die Autoren argumentieren, dass Fakten-Checker deshalb so erfolgreich sind, weil sie sich nicht auf Checklisten sondern eine Internetseite verlassen, um die Glaubwürdigkeit einer Quelle einzuschätzen. Eine Erklärung des Ansatzes wird in Kürze als Videoformat auf der Projektwebseite zu finden sein.

Welche Handlungsempfehlungen lassen sich für die Bildungsanbieter ableiten?

Für die Bildungsanbieter gilt es den selbstbestimmten Informationszugang durch die Förderung der Informationskompetenz zu unterstützen. Dies erfolgt nach Aussagen der Proband*innen am liebsten spielerisch und aufwandsarm, als Selbstreflexion mit einem Aha-Effekt. In Kursangeboten sollten Lernangebote zur Förderung von Informationskompetenz am besten methodisch integriert sein. In Hinblick auf die Lernformen, zeigt sich der Blended Learning-Ansatz, also die Kombination von Online- und Präsenzformaten als vielversprechende Kombination. Hier gilt es natürlich nach zu vermittelndem Inhalt, Gruppengefüge usw. abzuwägen. Generationsübergreifendes Lernen ist besonders für den ländlichen Raum eine geeignete Lernmethode. Idealerweise kombiniert mit dem gewünschten physischen Begegnungsraum.

Was gibt es noch zu sagen?

Alle Forschungsergebnisse sowie die Handlungsempfehlungen für Bürger*innen, Kommunen und Bildungsanbieter finden sich auf der Projektwebseite.

Am 28. Februar fand im Riedelsaal der Volkshochschule Hildesheim unsere Abschlussveranstaltung statt. Neben einigen Forschungsergebnissen haben wir in parallelen Workshops mit den jeweiligen Akteuren die Handlungsempfehlungen diskutiert. Wir bedanken uns für den schönen Tag und die Unterstützung!

DIRLA Vortagende News März2023
DIRLA Vortagende News März2023

Abbildung 9 Mitwirkende, von links: Daphné Cetta-Hassenstein (Uni), Nadja Eroschenkova (VHS), Alexey Ponomarev (VHS), Laurine Oldenburg (Uni), Joachim Griesbaum (Uni), Margitta Rudolph (ehemals VHS), Anika Stooß (Uni), Tayfun Cakmak (Uni).

Weitere Informationen finden sich auf unserer Projektwebseite: https://t1p.de/dilra

Ansonsten erreichen Sie uns über: Laurine.oldenburg@uni-hildesheim.de

Code DIRLA
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