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Weihnachtsgrüße 2015

Liebe Mitbürgerinnen, liebe Mitbürger,

die in den letzten Jahren zur Jahreswende formulierten Weihnachtsgrüße waren überwiegend mit positiven Entwicklungen und Erwartungen verbunden. Gilt das für 2015 auch?
Die allgemeine Entwicklung lief weitestgehend, insbesondere wegen der weiterhin allgemein guten wirtschaftlichen Entwicklung, positiv. Angesichts erheblicher Defizite in der Infrastruktur und im Bildungsbereich ist es jedoch Zeit, die Koordinaten neu auszurichten. Fakt ist, dass der Staat auf allen Ebenen unterfinanziert ist. Fakt ist auch, dass die Bevölkerungsentwicklung trotz Zuwanderung noch immer negativ ist, also Grund besteht über die Zukunft der kommunalen Strukturen und deren Finanzierung nachzudenken. Weil das so ist, haben wir versucht, im Rahmen der Fusionsverhandlungen mit dem Landkreis Peine neue Entwicklungen anzuschieben, deren Vorteile sich allerdings erst in Jahren deutlich zeigen würden. Es ging um Politik, die den Versuch gewagt hat, über den „Tellerrand hinaus“ zu blicken. Dafür scheint es zurzeit im Kreistag keine Mehrheit zu geben. Dies Thema wird aber, dessen bin ich mir sicher, wieder auf die Tagesordnung kommen.

Was die Erwartungen für das neue Jahr angeht, sind die Herausforderungen schon in 2015 gesetzt worden. Es geht um die aktuelle Dimension der Flüchtlingskrise, die sich eigentlich schon seit Jahren ankündigte. Nach neusten Zahlen der Stiftung Weltbevölkerung sind gegenwärtig rund 60 Mio. Menschen weltweit auf der Flucht. Mehr als die Hälfte der Flüchtlinge stammen aus Syrien, Afghanistan, dem Sudan und Somalia. Das sind Zahlen, die es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gegeben hat. Sie fliehen, weil ihr Leben seit Jahren durch Bomben und religiöse oder politische Verfolgung bedroht ist. Menschen, die zum Teil über Jahre in Flüchtlingslagern in der Türkei oder im Libanon ausgeharrt hatten, ohne Hoffnung schöpfen zu können. Ganz im Gegenteil. Die Lage in den Lagern wurde stetig schlechter, weil die reichen Länder des Nordens, ihren finanziellen Verpflichtungen zur Unterstützung der UN-Hilfsorganisationen nicht oder nicht ausreichend nachgekommen sind. Dazu kommen Kriege, die vom Westen unter falschen Voraussetzungen (Beispiel Irak) geführt wurden und zu einem steten Zerfall staatlicher Strukturen im mittleren Osten geführt haben. Viele kommen auch aus Not, weil sie für sich und ihre Familien keine Perspektive mehr sehen. Auch den Landkreis Hildesheim trifft das. Bis zum Jahresende werden wir mehr als 2.000 Flüchtlinge aus diesen Ländern aufnehmen, versorgen und unterbringen müssen.

Beim Landkreis arbeiten die zuständigen Fachdienste seit Mitte Oktober im Krisenmodus, um die Menschen unterzubringen. Das bedeutet in einigen Bereichen permanenten Stress, der langsam an die Substanz geht. Ohne die vielen Ehrenamtlichen bei den Feuerwehren, dem Katastrophenschutz, dem DRK, den Johannitern dem Arbeitersamariterbund und den vielen anderen Vereinen und Verbänden, Runden Tischen und Initiativen wäre schon manches zusammengebrochen. All diesen Menschen verdanken wir es, dass so etwas wie Willkommenskultur in unserem Landkreis vorherrscht. Aber wir dürfen die Aufnahmebereitschaft in der Gesellschaft nicht überstrapazieren. Die Aufnahme und Versorgung der Menschen ist das eine, wichtiger ist aber, für die anerkannten Asylbewerber eine Perspektive in unserem Land zu entwickeln, die auf Dauer trägt. Dafür ist die gegenseitige Unterstützung aller staatlichen Ebenen dringend notwendig. Da kann es nicht richtig sein, einen Bundeshaushalt mit einer schwarzen Null zu fahren, wenn gleichzeitig Integrationsprojekte fehlen. Es liegt an uns allen, an Politik, Wirtschaft, Verwaltung, ja an der ganzen Gesellschaft, die neue Flüchtlingsbewegung als Herausforderung anzunehmen, aber auch als Chance für eine bessere Zukunft zu verstehen.

Dabei geht es aber auch darum, eine Entwicklungspolitik zu betreiben, die den Menschen in Nahost, in Afrika oder Asien eine sichere Lebensgrundlage bietet. Nur dies wird die Flüchtlingsbewegung wirklich stoppen können. Bei diesen Einschätzungen sind die erkennbaren Folgen der drastischen Klimaveränderungen noch nicht einmal berücksichtigt. Wir können nur hoffen, dass die Klimakonferenz in Paris ein Erfolg wird. Dennoch müssen wir in den Kommunen und im Privaten gleichermaßen Verantwortung für unser Handeln übernehmen. Die Klimaagentur im Landkreis ist da nur ein weiterer kleiner Schritt, dem weitere folgen müssen. 2050 soll der Landkreis energieautark sein.

Zum Schluss möchte ich allen denjenigen, die in Vereinen und Verbänden, Initiativen und Organisationen mit Hand anlegen, wo Einzelne oder der Staat überfordert sind, Dank sagen. Dies gilt in der gegenwärtigen Situation besonders für die Freiwilligen Feuerwehren, die Hilfsorganisationen und die zahlreichen karitativen Initiativen. Ganz besonders danke ich meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die - besonders in den letzten Monaten - alles dafür getan haben, um für die Flüchtlinge Hilfen zu organisieren. Ganz besonders freue ich mich darüber, dass die Bevölkerung in ihrer großen Mehrheit unsere Arbeit mit Wohlwollen unterstützt hat. Auch dafür schulde ich Dank.
Für das bevorstehende Weihnachtsfest wünsche ich Ihnen, Ihren Familien und allen Menschen, die Ihnen wichtig sind, besinnliche und gesegnete Feiertage. Vielleicht haben Sie ja auch Gelegenheit, einer Flüchtlingsfamilie persönlich zu begegnen und sie zu unterstützen. Vielleicht kommt da so etwas wie weihnachtliches Flair auch bei den Menschen an, für die unser Land und unser Landkreis noch völlig neu sind.

Genießen Sie die freien Tage, verschaffen Sie sich ruhige Momente. Nur so kann man wohl den Wert von Weihnacht wirklich bemessen. Für das Jahr 2016 wünsche ich Ihnen Glück, Gesundheit und Gottes Segen.

Hildesheim, im Dezember 2015

Reiner Wegner
Landrat